Studie / intersectional map
Die Konstitution von städtischem Raum als "intersektioneller Raum" wird auf Basis einer wissenschaftlichen Studie zum Bewegungsverhalten der Grazer StadtbewohnerInnen sichtbar gemacht.
Stadtplanungskonzepte operieren sehr häufig mit geschlechtslosen, entleiblichten Personen (1) und übersehen dabei die unterschiedlichen gesellschaftlichen Bedingungen von denen Frauen und Männer (2), mit und ohne Migrationshintergrund, in unterschiedlichen Altersgruppen und Milieus betroffen sind. Diese Bedingungen formen unter anderem die Struktur städtischer Räume.
Studie - Ausgangspunkt
Die Struktur städtischer Räume ist Abbild unterschiedlicher Vergesellschaftungsbedingungen der Geschlechter, die in unterschiedliche Ethnien und Milieus eingebettet sind. Im Zuge der Analyse dieser Struktur beruft sich das Projekt intersectional map/graz08 auf das theoretische Analysekonzept "Intersectionality"(a), das die Triade von Gender, Ethnicity und Class in einer inter-kategorialen Zugangsweise reflektiert. Dies bedeutet, dass die einzelnen gesellschaftlichen Kategorien in ihrem Verhältnis und in ihrer Wechselwirkung betrachtet werden. Dieser Zugang dient der Erfassung komplexer Strukturen und nimmt Bezug auf existierende soziale Kategorien, um Ungleichverhältnisse zwischen sozialen Gruppen, sowie sich verändernde Konfigurationen, zu erfassen.
Die strukturgebenden Kategorien Gender, Ethnicity und Class formen "intersektionelle Orte", deren "Verhalten" in gewisser Hinsicht magnetischen Feldern entspricht. Sie ziehen an und setzen dabei mehr oder weniger starke Kräfte in Gang. Geringe Anziehung bzw. Ausschließung wird sichtbar, wo die milieurelevante Grenze der Distinktion (b) von oben nach unten und von unten nach oben als räumliche Grenze von Orten, Stadtteilen, Straßenzügen, etc. erkennbar wird. Intersektionelle Anziehung schafft Heterogenität. Entsprechend werden die "intersektionellen Orte" mit messbaren Werten versehen, die den Grad intersektioneller Heterogenität anzeigen.
Die Visualisierung des erhobenen Datenmaterials im virtuellen und im öffentlichen Raum und das "Weiterleben" der intersectional map /graz08 bilden zentrale Schwerpunkte in diesem Projekt. Die Wegketten aller an der Erhebung beteiligten Personen werden im virtuellen Stadtplan als Mikromarker sichtbar. Die Ansteuerung konkrete Grazer Orte (Jakominiplatz, Bahnhof, usw.) auf der virtuellen Oberfläche, löst die Anziehung der für diese Orte spezifischen Mikromarker/ Personen aus.
BesucherInnen der intersectional map /graz08 bewegen sich in diesem Szenario. Sie "betreten" die Stadt im virtuellen Raum auf ihren gewohnten, alltäglichen Wegen und an gewohnten Orten und finden sich wieder – konfrontiert mit der intersektionellen Struktur ausgewählter Orte in der Stadt - im bewegten Feld der Anziehung.
Studie - Erhebung
Im Rahmen einer schriftlichen Befragung (Juni 2008) erfassen wir Wegketten und aufgesuchte Orte von mehr als 1650 BewohnerInnen der Stadt Graz. Die Stichprobenziehung erfolgt entlang der Variablen Geschlecht, Ethnie, Milieu und Alter und stellt einen geschichteten Ausschnitt der BewohnerInnen in ausgewählten Bezirken der Stadt Graz dar. Diesem Vorgehen liegt die Absicht zugrunde, Aussagen über das Bewegungsverhalten aller erfassten (in der Stadt auch unterrepräsentierter) Personengruppen treffen zu können. Wir interessieren uns beispielweise für die Fragestellung, welche (Sozial)Räume von jungen Frauen und Männern mit Migrationshintergrund erschlossen werden oder wir interessieren uns unter anderem für Geschlechterräume älterer StadtbewohnerInnen (> 60 Jahre). Die Erhebung erfolgt im Rahmen einer Face-to-face-Befragung an öffentlichen Plätzen in der Stadt bzw. über Institutionen (Schulen, Dienstleistungseinrichtungen, Weiterbildungseinrichtungen, etc.). Die Befragung von Personen mit Migrationshintergrund erfolgt hauptsächlich in Form von Face-to-face-Interviews.
Die im Zuge der Erhebung erfassten "alltäglichen Wege" und dabei aufgesuchte "Orte" an einem typischen Wochentag, werden nach Tageszeiten differenziert (Vormittag, Nachmittag). Auf diese Weise kann die sozialräumliche Struktur der Stadt entlang der erfassten soziostrukturellen Merkmale zu unterschiedlichen Tageszeiten erschlossen werden.
Die Ergebnisse dieser Stichprobe lassen die intersektionelle Struktur der von den befragten Personen genutzten Orte im Stadtraum Graz hervortreten. Darüber hinaus können Aussagen über die Platzierung ausgewählter Orte (Bsp. Lendplatz, Bahnhof, etc.) auf einer mit messbaren Werten versehen Skala getroffen werden (Heterogenitäts-Skala).
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1 Crenshaw, Kimberlé (1998). Demarginalizing the Intersection of Race and Sex: A Black Feminist Critique of Antidiscrimination Doctrine, Feminist Theory, and Antiracist Politics. In: Phillips, Anne (Hg.): Feminism & Politics. New York, S. 314 – 343.
McCall, Leslie (2005). Managing the Complexity of Intersectionality. In: Journal of Women in Culture and Society. Vol 30. No 3. 1771-1780.
Walgenbach, Katharina (2007). Gender als interdependente Kategorie. In: Walgenbach, Katharina / Dietze, Gabriele / Hornscheidt, Antja / Palm, Kerstin (Hg.): Gender als interdependente Kategorie. Neue Perspektiven auf Intersektionalität Diversität und Heterogenität. Opladen: Barbara Budrich
2 Bourdieu, Pierre (1982): Die feinen Unterschiede. Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft. Frankfurt. Suhrkamp.
Michael Vester, Peter von Oertzen, Heiko Geiling, Thomas Hermann und Dagmar Müller (2001). Soziale Milieus im gesellschaftlichen Strukturwandel. Frankfurt.
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(a) Acker, Joan (1991). Hierarchies, Jobs, Bodies: A Theory of Gendered Organizations. In J. Lorber & S.A. Farrell (1991), The Social Construction of Gender (pp. 162-179). London.
Acker, Joan (1992). Gendering Organizational Theory. In A.J. Mills & P. Tancred (eds.), Gendering Organizational Analysis (pp. 248-260). London.
(b) Becker-Schmidt, Regina & Knapp, Gudrun-Axeli (2001). Feministische Theorien zur Einführung. Hamburg.
Becker-Schmidt, Regina (2003). Zur doppelten Vergesellschaftung von Frauen. Soziologische Grundlegung, empirische Rekonstruktion. http://web.fu-berlin.de/gpo/pdf/becker_schmidt/becker_schmidt_ohne.pdf
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Besuchen Sie die Installation:
Eröffnung: 6. Juni 2011, 18.30 Uhr
Laufzeit: 7.-10. Juni 2011, jeweils 11.00-18.00 Uhr
Ort: Augartenpavillon im Augarten der Stadt Graz